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Coworking-Spaces als Chance für die Quartiers- und Stadtentwicklung

von Dirk Adomat

Coworking-Spaces erfreuen sich in den letzten Jahren steigender Beliebtheit, insbesondere als alternative Arbeitsstätten und für Start-ups findet sich diese moderne Form des Arbeitens besonders in den urbanen Zentren. Hier hat sich eine eigene Arbeitskultur entwickelt. Doch was ist unter diesem Begriff zu verstehen? Gemeint ist hier kein klassisches Gemeinschaftsbüro, sondern vielmehr ein Büro oder Arbeitsort eines Investors, in dem dieser interessierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder Studierenden Arbeitsorte mit der notwendigen Infrastruktur, wie Hardware und Internet, gegen eine Miete anbietet. Tage- oder stundenweise können beispielsweise Schreibtische, Büros, Werk- und Hobelbänke oder 3D-Drucker gemietet werden.

Insbesondere in urbanen Zentren und in der Digitalwirtschaft lässt sich diese besondere Form des Arbeitsplatzes finden – allein in Berlin gibt es bereits über 100 Coworking-Spaces. Die Vorteile dieser Arbeitsplätze liegen auf der Hand: Die Nutzung ist zeitlich befristet, damit werden Arbeitsmittel nur für die Dauer eines Projektes in Anspruch genommen. Die Nutzung eines Arbeitsplatzes in Teilzeit erlaubt den Mietern ein hohes Maß an Flexibilität zu einem Preis, bei dem die Kosten in der Regel deutlich unter dem Preis liegen, der für ein eigenes Büro bzw. Werkstätte zu bezahlen wäre, da die Investitionskosten größtenteils entfallen und stattdessen anteilige Mietkosten entstehen. Neben den vielfältigen sozialen Kontakten zu anderen, wechselnden Mietern aus verschiedenen Bereichen macht dies Coworking-Spaces insbesondere für Existenzgründerinnen und -gründer interessant.

Darüber hinaus haben viele im Homeoffice tätige Menschen die Coworking-Spaces für sich entdeckt, da einigen zu Hause „die Decke auf den Kopf fällt“.

Ohne Zweifel haben kleinere und mittelgroße Städte nicht die Anziehungskraft urbaner Zentren, wie etwa Berlin, und damit auch ein anderes Klientel. Dennoch bieten Coworking-Spaces eine Chance für die Quartiers- und Stadtentwicklung, insbesondere in mittelgroßen Städten, mit der in vielen dieser Städte vorhandene Probleme angegangen werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die Coworking-Spaces auf ein in der Stadt vorhandenes Klientel abzielen und auf bereits vorhandene Bedürfnisse und Erfahrungen in der Stadt eingehen. Die folgenden Thesen sollen Anregungen dazu geben, wie das gelingen kann.

  1. Coworking-Spaces wirken dem Leerstand in Innenstädten entgegen

Sehr häufig leiden kleine und mittelgroße Städte unter dem Strukturwandel des Einzelhandels: Die zunehmende Verlagerung des Handels hin zu Einkaufszentren und Gewerbegebieten am städtischen Rand sowie in den Online-Handel hat in einigen Innenstädten zu Leerständen geführt oder es erfolgt eine Nachnutzung, wie beispielsweise durch Wettbüros, Nagelstudios und Shishabars, die als nicht mehr innenstadttypisch empfunden wird.

In der Folge sinkt die Attraktivität, was letztlich auch zu einer veränderten sozialen Struktur führt.

Darüber hinaus lässt sich auch eine Veränderung in der bislang bestehenden kommunalen Infrastruktur beobachten. Bibliotheken, Einrichtungen der Volkshochschulen oder kommunale Beratungsstellen ziehen sich ebenso aus den Innenstädten zurück, wie Filialen von Stadtsparkassen, die ebenfalls zur kommunalen Daseinsvorsorge zählen.

Coworking-Spaces könnten hier einen Teil des Leerstandes beseitigen und zugleich die Innenstädte wieder stärker beleben. Da sie nicht auf eine möglichst hohe Zahl von Kundenbesuchen angewiesen sind, spielt eines der Investitionshemmnisse für Einzelhandelsunternehmen hier keine Rolle. Hinzu kommt, dass Innenstädte für die Nutzer der Coworking-Spaces in der Regel attraktive Rahmenbedingungen bieten: Neben einer guten Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr oder das Internet finden sich dort bereits kleinere Dienstleister wie zum Beispiel Cafes. Darüber hinaus sind auch viele Selbstständige in den Innenstädten ansässig, die ein potentielles Klientel für die Dienstleistungen der Coworking-Spaces darstellen.

Innenstädte sind also einerseits attraktive Orte für die potenziellen Interessenten von Arbeitsplätzen in den Coworking-Spaces und können andererseits von ihnen wieder belebt werden. Coworking-Spaces können damit ein Instrument im Rahmen der Stadtentwicklung sein, da sie die Chance bieten, die Innenstädte wieder zu Orten der Begegnung zu machen.

  1. Coworking-Spaces schaffen Perspektiven zur Beschäftigung und bereichern damit auch die soziale Arbeit

Coworking-Spaces in kleinen und mittelgroßen Städten müssen aufgrund einer anderen Bewohnerstruktur auch andere Interessenten ansprechen und müssen damit einen anderen Bedarf bedienen als jene in den urbanen Lagen. Es bietet sich somit für diese Form der Arbeit die Chance, sich komplett neu zu erfinden.

Im Folgenden bezeichne ich diese modifizierte Form der Coworking-Spaces, als New-Coworking-Spaces, um die Abgrenzung deutlich zu machen. Denn im Gegensatz zu der bekannten Form der Coworking-Spaces, deren Angebotspalette und Zielgruppe ich oben dargestellt habe, können sich die New-Coworking Spaces, je nach örtlicher Gegebenheit, insbesondere um die folgenden Themen ergänzen:

  • Originäre Quartiersozialarbeit
  • Integration in Arbeitsprozesse
  • Belebung der Innenstädte
  • Chancenort für Neuankommende.

Damit würde sich nicht nur die Angebotspalette, sondern auch die Zielgruppe erweitern, da jetzt auch soziale Gruppen gezielt angesprochen werden, die sonst nur schwer einen Zugang zu solchen Arbeitsformen finden. Dies geschieht auch mit der Zielsetzung, diesem Personenkreis neue Chancen zu bieten, die wirtschaftliche Situation zu verbessern.

Hierbei könnten die New-Coworking-Spaces bereits vorhandene Strukturen adaptieren. Vielfach existieren aus der Quartiersarbeit Konzepte, die eine Chance zur Fortentwicklung benötigen und in diesem Rahmen weiterentwickelt werden könnten.

So sind im Zuge der Flüchtlingssozialarbeit kleinere Projekte wie Werkstätten oder Nähprojekte entstanden, die zwar eine Möglichkeit der Beschäftigung bieten und sprachfördernd sind, aber nicht für weitere Schritte wie z. B. der wirtschaftlichen Verselbständigung oder eines Start-ups konzipiert sind.

Auf dieser Grundlage aufbauend können New-Coworking-Spaces in einem entsprechend größeren Rahmen mit mehr Möglichkeiten Menschen verschiedenster Herkunft und mit verschiedensten Hintergründen eine Chance zur beruflichen Existenzgründung bieten. Sowohl Geflüchtete als auch bereits länger oder schon immer hier lebende Menschen haben – unabhängig davon, ob sie bereits eine Arbeit haben – oftmals die notwendigen Fähigkeiten, um eine eigene berufliche Existenz mit Perspektive aufzubauen. Dies scheitert in der Regel an den technischen, letztlich finanziellen Möglichkeiten. Entsprechend ausgerichtete New-Coworking-Spaces können hier preisgünstige oder gegebenenfalls sogar geförderte Arbeitsplätze anbieten, die einen Start in die berufliche Selbstständigkeit ermöglichen können.

Ein solches Angebot würde sich nicht nur an den oben definierten Personenkreis richten, sondern auch an Berufstätige, die sich noch einmal anders orientieren möchten. Damit leisten New-Coworking-Spaces dieser Form auch einen Beitrag zur Sozialarbeit, indem sie Menschen ohne berufliche Beschäftigung eine Perspektive bieten und ihnen ermöglichen, ihre Fähigkeiten entsprechend einzusetzen. Die Erfahrungen der sozialen Projekte in diesem Bereich in den vergangenen Jahren müssen dabei für die Konzeption der New-Coworking-Spaces vor Ort eingebracht werden.

  1. Coworking Spaces können im Rahmen von privaten Initiativen im Quartier umgesetzt werden

Nachdem nun die Chancen skizziert wurden, stellt sich noch eine entscheidende Frage: Wie sollen die New-Coworking-Spaces finanziert werden? Großstädtische Coworking-Spaces finanzieren sich im Normalfall durch die Miete, die ihre Kunden an den Besitzer der Arbeitsräume bezahlen.

Wie oben dargestellt, hätten New-Coworking-Spaces jedoch eine andere Nutzungsstruktur und eine andere Zielausrichtung. Grundsätzlich wäre eine private Finanzierung in einigen Fällen denkbar. Diese Möglichkeit dürfte jedoch zumindest in den ersten Jahren für Investoren nicht attraktiv sein. Daher sind hier andere Finanzierungsmodelle nötig.

Im Idealfall findet sich auch hier ein Investor, der die Einrichtung eines Coworking-Space vorfinanziert, um seine Investition anschließend durch eine Beteiligung am Gewinn erfolgreicher Existenzgründungen zu refinanzieren. Beispiele aus anderen Coworking-Spaces zeigen, dass bereits wenige erfolgreiche Gründer entsprechende Einnahmen generieren könnten. Denkbar ist hier auch eine Anschubfinanzierung durch die Kommunen, die, wie dargelegt, von der Einrichtung profitieren würden.

Mit dem Entwurf für ein Niedersächsisches Quartiersgesetz, der in dieser Legislaturperiode überarbeitet und verabschiedet werden soll, kann eine juristische Grundlage hierfür geschaffen werden. Das Gesetz soll den Städten und Gemeinden neue Möglichkeiten für die Stadtentwicklung geben, um Quartiere aufzuwerten. Es ist geplant, eigenverantwortlich durchgeführte und privat organisierte Aufwertungsmaßnahmen mit einer verlässlichen Finanzierung zu ermöglichen. Private Akteure, wie Grundeigentümer, können sich dann auf einer verlässlichen Grundlage zusammenschließen, um ihr Quartier wieder attraktiver zu machen. Mit entsprechenden Ergänzungen am Gesetzentwurf könnten dann von gemeinsamen privaten Initiativen auch New-Coworking-Spaces eingerichtet werden. An der Stelle eines großen Investors können dann auch mehrere kleinere Investoren aus dem Quartier stehen. Darüber hinaus wäre zu prüfen, in wie weit für das Quartiersmanagement zur Verfügung stehende Mittel genutzt werden können.

Fazit

Die genannten Argumente zeigen, dass Coworking-Spaces Chancen für die Quartiersentwicklung in mittelgroßen Städten bieten. Sie bieten den Städten die Möglichkeit, soziale Arbeit und Wirtschaftsförderung miteinander zu verbinden. Sie können damit die Rahmenbedingungen für Existenzgründungen verbessern und anschließend im Erfolgsfall von diesen profitieren. Auch wenn bei Weitem nicht alle Versuche der Existenzgründung erfolgreich sein werden, so können die Städte dennoch von den erfolgreichen Gründungen gestärkt werden. Außerdem werden mit dieser Form der Coworking-Spaces gleich mehrere Probleme angegangen: Sie wirken dem Leerstand in Innenstädten entgegen, sie fördern die Integration von Geflüchteten, die hier sowohl eine Möglichkeit zur Arbeit als auch zum Knüpfen von sozialen Kontakten bekommen, und sie stärken im Falle erfolgreicher Existenzgründungen die Wirtschaft vor Ort.

Letzlich würden sie auch ein wichtiger Baustein sein, um der Abwanderung von jungen Menschen aus den ländlichen Gebieten entgegen zu wirken.

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